Donnerstag, 5. November 2015

Caudis Corner | 50.000 böse Worte!





"Wenn jemand anders so schlecht mit dir reden würde, wie du mit dir selbst, würdest du dich mit diesem Menschen nicht mehr abgeben. Wieso also lässt du es zu, dass du selbst so mit dir umspringst? Im Schnitt spricht man innerlich 50.000 böse Worte zu sich - täglich!"

Das sagte neulich ein Referent - und es gab mir zu denken. Stimmt es nicht sogar? Ich steh auf und sage beim ersten Blick in den Spiegel: "Boah, du sahst auch mal frischer aus!" Wieso begrüße ich mich nicht mit: "Guten Morgen, Sonnenschein! Siehe da, ein neuer Tag! Geil, dass du noch auf Erden wandelst, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und genug zu essen hast! Whoohooo - auf geht's!" Vor allem, wen würden denn überhaupt meine Augenringe etwas abgehen, geschweige denn stören? Scheiß doch drauf - immer diese Äußerlichkeiten.

Aber es geht unvermindert weiter. Getrieben von diesen unrealistischen Bildern, die einen überall anspringen hat Frau nun mal keine Schwächen zu haben. Hat Frau eigentlich perfekt zu sein und perfekt ist nur, wer keine Dellen am Po hat. Zweiter Blick in den Spiegel - Ganzkörperperspektive: "Na toll, du hast voll Cellulite - bah, ekelig!" Warum nicht so: " Hollabolla, Mäuschen. Du bist eine echte Frau - Kurven sind vorhanden. Ein Arsch zum Niederknien, ordentlich Dekolletee - heiiiiiiß!"

Statt die super Kurven maximal zur Geltung zu bringen (da wäre jetzt wieder die innere Marilyn gefragt...) quetscht man sich in das, was grad so „in“ ist: schmale Hosen. Aber nicht jeder stehen diese engen Dinger. das liegt natürlich nicht an der Modeindustrie und deren Marketingmaschine, die suggeriert: "Nur Frauen, die in diese Skinny Jeans passen und bei denen die Hosenbeine immer noch schlackern, sind toll!" Weshalb wählt Frau nicht die Hosenform, die ihr schmeichelt, schlüpft mit Vorfreude rein und sagt: "Wie geil ist das denn bitte?! Ich steiler Zahn!"

Ständig führt frau sich ihre angeblichen Unzulänglichkeiten vor Augen. Doch wer definiert denn, was gut und was schlecht ist? Frau selbst nimmt etwas an, von dem frau denkt, dass andere so denken....Hä?

Der Referent fragte: "Machst du das alles wirklich für dich? Stell dir vor, du wärst der allerletzte Mensch auf dem Planeten - was von dem wäre dann noch wichtig? Würdest du wirklich freiwillig eine Kohlsuppendiät machen?" Mich würden meine Dellen am rechten Bein nicht mehr so interessieren, muss ich zugeben. Ich würde aber weiterhin versuchen meiner unentdeckten Nahrungsmittelallergie auf die Schliche zu kommen, um mich vom Asthma zu befreien und mich fit zu fühlen.

Als letzter Mensch auf dem Planeten würde ich sagen: „Irgendwie einsam hier.“ Aber ich würde nicht mehr zu mir sagen (was ich hin und wieder tue): "Ja, scheiße, du bist halt krank!" Sondern: "Aha, letzter Mensch auf Erden - super Chance, ab heute gibt es nur noch das zu essen, was du selber produzieren kannst - Industrieschrott kommt nicht mehr auf den Teller."

Sorry, kleiner Exkurs.

Alles in allem ist mir durch den Vortrag bewusst geworden, dass ich die ganzen netten Dinge immer zu anderen sage. Wobei ich bereits an einem Punkt in meinem Leben dazu übergegangen bin täglich ein liebes Wort zu sprechen. An wen? Ganz ehrlich? Es ist mein Auto. Ich hätte gern ein neues, schnelleres, aber mein zehn Jahre alter Clio ist noch total gut. Und vielleicht ist der Wunsch nach einem neuen Wagen auch nur durch die Werbung entstanden, wer weiß? Ich habe mir jedoch vorgenommen, jeden Tag was zu rühmen, das mein Auto besonders gut kann. Und da sitze ich im morgendlichen Stopp&Go und sage laut: "Alter, Auto, wie geil du bist!" oder "Jahaha, da seid ihr neidisch was? Ich fahre so einen coolen Wagen! Hammer!" oder wenn ich aussteige und verriegele: "Heißer Flitzer!" Das macht Spaß und es steckt soviel Wahrheit drin, mein Auto ist toll und ein treuer kleiner Gefährte.

Diese Strategie sollte frau (man?) auch für sich persönlich anwenden. Drum sage ich heute - ich muss zugeben, das erste war: " Scheiße, wieder was falsches gegessen, Nase dicht. Was ist bloß los mit dir?" - drum sage ich aber heute: "Guten Morgen, Sonnenschein! Siehe da, ein neuer Tag! Geil, dass du noch auf Erden wandelst, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und genug zu essen hast! Whoohooo - auf geht's!".

Eigenlob stinkt nicht! Es macht froh!

Claudi

Image via Pinterest

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