
Über "das kleine Blaue" habe ich ein tolles Interview der "
Welt am Sonntag" (12.09.10) mit Karen Kingston entdeckt. Karen ist Entrümpelungs-"Päpstin " und Autorin (u.a. "
Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags: Richtig ausmisten. Gerümpelfrei bleiben"). Unnötig, zu erwähnen, dass ich natürlich Bücher von ihr habe... ! Mein erstes Fazit: Lesen allein reicht nicht ;-). Aber ich bin immer sehr motiviert, wenn ich mich zumindest gedanklich mal damit beschäftigt habe...
Hier aber jetzt das Interview:"Besitz kann Menschen blockieren"               Karen Kingston berät Menschen beim "Space Clearing", dem  befreienden Ausmisten überflüssiger Dinge. Das hat immer Saison - nicht  nur im Frühling                                 Von Katrin Kruse                      In den 80er-Jahren, als man unter Luxus noch Besitz verstand,  begann Karen Kingston etwas sehr Außergewöhnliches zu tun: Sie brachte  den Leuten das Wegwerfen bei. Ihr Buch "Clear your clutter with Feng  Shui" wurde zum Bestseller, seitdem gilt die Engländerin als "Queen of  less" in Sachen Wohnen. Gerade ist eine aktualisierte Version ihres  Standardwerkes erschienen, natürlich als E-Book, etwas synchroner also  mit dem Zeitgeist - immerhin ruft man derzeit die "Lovos" aus, mit einem  "Lifestyle of voluntary simplicity", dem Lebensstil des einfachen  Lebens. Zur Einfachheit leitet auch "Clear your clutter" an. Wie das  aussieht? Man geht durch die eigene Wohnung, nimmt jeden Gegenstand in  die Hand, stellt sich vier Fragen dazu und steht am Ende mit etwa der  Hälfte seiner Besitztümer da: "Freier", würde Karen Kingston sagen.
Welt am Sonntag: Warum soll es gut sein, Dinge wegzuwerfen?Karen Kingston: Die meisten Leute glauben, dass  ihr Leben umso reicher wird, je mehr sie besitzen - ein großes  Missverständnis. Wenn man zu viele Dinge anhäuft oder die falschen, hat  das einen negativen Effekt. Besitz kann Menschen blockieren.     
Welt am Sonntag: Wie definieren Sie "zu viel"?             Kingston: Ich unterscheide vier Arten von  Gerümpel: Dinge, die man nicht benutzt oder nicht liebt. Dann die Dinge,  die nicht geordnet sind, drittens zu viele Dinge auf zu kleinem Raum.  Und als vierte Kategorie - die vergessen die meisten Leute: Dinge, die  nicht zu Ende gebracht sind. Das können materielle Projekte sein oder  auch Beziehungen, die man eigentlich längst beenden wollte, nur ist man  eben noch nicht dazu gekommen.                          
Welt am Sonntag: Was ist mit den Dingen, die  man derzeit nicht liebt, aber irgendwann vielleicht doch wieder? Nehmen  Sie Vintage-Kleidung: Wer alles wegwirft, was er ein Jahr lang nicht  getragen hat - macht der nicht einen großen Fehler?Kingston: Das fragen mich die Leute, seit mein  Buch 1998 das erste Mal erschienen ist. Wenn ein Stil wiederkommt, dann  nie in exakt der gleichen Weise - es ist immer ein neuer Aspekt darin.  Außerdem muss man sich entscheiden: Halte ich einen Teil meiner  Garderobe in der Warteschleife, nur weil die alten Sachen möglicherweise  wieder in Mode kommen? Oder halte ich meine Umgebung auf dem Stand, der  mir jetzt entspricht?             Welt am Sonntag: Das Ausmisten ist ja nur eine  Vorbereitung zu dem "Space Clearing", das Sie in den Häusern Ihrer  Klienten durchführen. Es hat mit Energien zu tun, die dort gespeichert  sind. Wie ist das bei Vintage-Kleidern: Steckt da, energetisch, der  Vorbesitzer drin?             Kingston: Nicht wenn Sie den Stoff reinigen oder  waschen. Bei Vintage-Kleidung spielt allein die Assoziation eine Rolle.  Wenn Sie ein Stück gefunden, gemocht und gekauft haben, sind keine alten  Geschichten daran gebunden. Anders ist es, wenn Sie den ehemaligen  Besitzer kennen.
Welt am Sonntag: Bei Möbeln oder Gebäuden, sagen Sie, können Sie dessen Spuren lesen. Inwieweit nehmen Sie Orte anders wahr als andere?             Kingston: Die meisten Leute haben ein Gefühl für  die Energien eines Ortes. Sie kommen in ein Haus und sagen: Was für ein  wunderbares Zuhause, hier würde ich gern leben! Oder sie fühlen sich  beklommen. Nur wissen sie in beiden Fällen nicht warum. Ich lese die  energetischen Spuren des Ortes - und kann es beantworten. Mit der  Inneneinrichtung hat das übrigens wenig zu tun. Ich bin in den  sensationellsten Wohnungen gewesen, und meine Erfahrung ist, dass  Interiordesign einen ziemlich täuschen kann.
Welt am Sonntag: Was ist der häufigste Fehler beim Einrichten?             Kingston: Schwierig zu generalisieren. Es hängt  sehr davon ab, was jemand von seinem Zuhause möchte. Einige wollen dort  nur schlafen, für andere ist die Wohnung das Herzstück ihres Universums.  Eine Regel gilt allerdings für alle: Wenn ein Raum keine klare Funktion  hat, dann wird er über kurz oder lang zur Abstellkammer.
Welt am Sonntag: Haben Sie einen Rat für Umzüge?Kingston: Wirklich nur die Dinge mitzunehmen, die  in das neue Leben passen. Wer alle alten Möbel und sämtlichen Zierkram  mitschleppt, hat oft Mühe, sich wirklich ein neues Zuhause zu schaffen.  Eine andere wichtige Sache, wenn man mit einem neuen Partner  zusammenzieht: unbedingt in einer neuen, gemeinsamen Wohnung anfangen.  Der neue Partner wird dort sonst nie richtig "landen" können.
Welt am Sonntag: Warum nicht - weil die Gegenstände an die Vergangenheit erinnern?             Kingston: Ja, aber auch der territoriale Aspekt  ist wichtig. Wenn einer von beiden schon in der Wohnung lebt, ist das  sein Terrain. Wer neu einzieht, muss sich den Gegebenheiten anpassen:  den Hausregeln, der Gestaltung, dem ganzen Leben dort. Wenn man nicht  umziehen will oder kann, sollte man sich zumindest eine neue Matratze  kaufen! Sonst schläft man in den Prägungen der vorherigen Beziehung.     
Welt am Sonntag: Zu viele Dinge, sagen Sie, können  einen erdrücken. Kann man auch zu spartanisch eingerichtet sein? Man  wird wohl kaum nur zwei Freunde haben, weil man nur zwei Gabeln besitzt -  aber die Dinge geben ja schon vor, was in einer Wohnung geplant ist und  was nicht. Kingston: Vor vielen Jahren hatte ich einen  Freund, einen Millionär, der als Grundstücksentwickler aus dem Nichts  heraus sein Geschäft aufgebaut hat. Er hatte es sich zur Gewohnheit  gemacht, ein Haus herzurichten und parallel schon das nächste Grundstück  zu kaufen. Dort hat er dann seine Matratze auf den Boden geworfen und  geschlafen. Bis auf einen Koffer mit Kleidern hat er tatsächlich nichts  anderes besessen. Ich habe eine Zeit lang mit ihm gearbeitet, und  schließlich hat er sich entschlossen, sein eigenes Zuhause einzurichten.  Es hat sein ganzes Leben verändert, plötzlich hat er stabile  Beziehungen gehabt, nicht nur gelebt, um zu arbeiten. Er wusste  tatsächlich nicht, wie das geht.
Welt am Sonntag: Das heißt, eine Wohnung kann eine Menge erzählen.Kingston: Aber diese Lesarten sind ja heikel: Wer  irrsinnig viele Sachen hat, ist nicht notwendigerweise ein freigiebiger  Mensch. Ich selbst habe gerade mit ganz wenigen Dingen gelebt, weil ich  nach 20 Jahren auf Bali zurück in meine Heimat nach England gezogen bin.  Ich wollte die alten Möbel nicht mitnehmen, also haben wir anfangs auf  dem Boden geschlafen. Wir waren ganz zufrieden in den ersten Monaten,  ohne Sofas und dergleichen - mittlerweile bin ich froh, dass die Möbel  nachkommen. Andererseits war diese Einfachheit wunderbar. Die Balance  ist wichtig: Die Dinge dürfen einen nicht in Beschlag nehmen, sodass man  seine gesamte Zeit damit verbringt, sich um sie zu kümmern.
Welt am Sonntag: Ist Ihnen jemals ein Leser oder Kunde untergekommen, der das Ausmisten übertrieben hat?             Kingston: In ganz seltenen Fällen habe ich E-Mails  von Leuten bekommen, die so extrem viel aussortiert haben, dass sie  nicht wussten, was sie als Nächstes tun sollten - weil nichts mehr übrig  war.     
Welt am Sonntag: Kann man dem vorbeugen?             Kingston: Es ist wichtig zu wissen, warum man  ausmistet - was man für sich damit erreichen will. Wenn Leute ausmisten  um des Aussortierens willen, kann sich das sogar zur leichten Obsession  entwickeln. Es gibt sicher einige wenige, die mein Buch gelesen haben  und dann in eine solche Richtung gedriftet sind.     
Welt am Sonntag: Ein kleiner Kontrollfreak ist schon darin angelegt.             Kingston: (Lacht) Ich habe mich oft gefragt, warum  sich meine Bücher in Deutschland so gut verkaufen. Vielleicht gibt es  im deutschen Charakter diese Facette, die es liebt, wenn die Dinge  geordnet sind?     
Welt am Sonntag: Das wäre zumindest ein klares kulturelles Stereotyp. Verkauft es sich tatsächlich so außergewöhnlich gut?             Kingston: Ausgesprochen gut.     
Welt am Sonntag: Ein bisschen beunruhigend ...  Aber im Moment müssen wir ja ohnehin noch etwas warten, gewöhnlich heißt  es ja, der Frühling sei die beste Zeit zum Ausräumen. Kingston: Das ist tatsächlich die Energie des  Frühlings. Aber jeder Anfang ist gut zum Ausräumen: der Beginn einer  neuen Beziehung, ein neues Projekt oder wenn man aus den Ferien  zurückkommt und das schwungvollere Leben beibehalten will. Sie müssen  nicht bis zum Frühling warten!     
Das Gespräch führte Katrin Kruse
Image via bellasugar.com